GIEßENER
ANZEIGER online Rüdiger Schäfer 30.05.2022, 10:30 Uhr Der Erdwall mit Weg zwischen dem Gießener Teich und der Wieseck ist noch immer teilweise gesperrt. Die Stadt gibt Einblick in aktuelle Überlegungen und auch ein Naturschützer äußert sich. Gießen . 340 Meter lang ist der Damm, der Wieseck und Schwanenteich voneinander trennt. Doch seit etwa einem Jahr dringt an zwei Stellen Teichwasser durch den Untergrund des Dammes in die Wieseck. Seitdem sind diese Lecks auf der Seite der Wieseck mit Sandsäcken notdürftig gesichert und ist der Dammweg im unteren Bereich zwischen der Brücke und der Terrasse an der Technischen Hochschule gesperrt. Die undichten Stellen befinden sich in dem Abschnitt, wo vor vielen Jahren auf der Schwanenteich-Seite große Weiden gefällt worden waren. Die Spaziergänger sind weiterhin ausgesperrt und fragen sich, ob dies nun ein Dauerzustand bleibt, da noch immer keine Aktivitäten im abgeriegelten Bereich zu erkennen sind. Der Anzeiger hat daher bei der Stadt angefragt, wie es weitergehen soll. Verzicht auf Wasserabsenkung Eine der Fragen, die sich stellt, ist, ob nach dem letztjährigen Absenken des Wasserspiegels zur Druckminderung der Teich nun wieder eine konstante Wasserhöhe hat. Laut Antwort der Stadt habe der Schwanenteich in Abhängigkeit des Zuflusses und der stetigen Wasserverluste grundsätzlich einen wechselnden Wasserstand. Allerdings sei dieser im vergangenen Jahr aus untersuchungstechnischen Gründen bewusst abgesenkt worden. »In diesem Jahr verzichten wir darauf, um sowohl den Fischen als auch dem Wassergeflügel zumindest bis zum Herbst ein gewohntes Brut- und Nahrungshabitat zu bieten«, heißt es. Sind die Lecks dadurch verursacht worden, dass durch die abgestorbenen und faulenden Wurzeln von gefällten Bäumen Hohlräume entstanden sind, durch die nun Wasser in die Wieseck austritt? Hierzu lässt die Stadt wissen, dass sämtliche Wasseraustritte »unmittelbar auf den vorhergehenden und noch existierenden Gehölzbestand zurückzuführen sind«. Die jeweilige Kronenlast hätte bei Windeinwirkung stets eine Standsicherheitsgefährdung bewirkt, die auch den Untergrund, den Damm, instabil werden ließ. Der Erdkörper sei mit Wurzelwerk durchzogen, bei dessen Zersetzung sich Hohlräume bildeten. »Je nach Ausprägung treten Materialverluste im Damm auf, die wiederum zur Hohlraumbildung und somit Instabilität beitragen.« Es ist zu befürchten, dass sich demnächst weitere Lecks an anderen Stellen bilden, was auch die Stadt bestätigt. Denn »Wasseraustritte beziehungsweise Sickerlinien im Damm existieren in zahlreicher Weise über die gesamte Länge und nicht nur in punktueller Ausprägung«. Die Überlegung, mittels der Einbringung von Spundwänden eine Dichtung zu erreichen, scheiterte dagegen »an der Tatsache, dass eine Störung von Grundwasserströmen beziehungsweise eine Umläufigkeit nicht hätte ausgeschlossen werden können«. Was den Zustrom von Wasser angeht, werde »der Schwanenteich ausschließlich über Niederschläge und den Zufluss über die Wieseck gespeist«. Letzteres zu vermehren, »wäre nicht rechtskonform«, teilt man mit. Bei der Neuanlage sei jedoch eine definierte Sohlhöhe im Zulaufgraben festgehalten worden. Das bedeute: Erlaubt der Wasserstand der Wieseck ein Überströmen dieser Zulaufhöhe, gelangt auch Wasser in den Schwanenteich. Bei geringen Abflüssen verbleibt somit der Abfluss im Fließgewässer. Die Dammschäden existierten bereits vor der wasserrechtlichen Genehmigung des Projekts. Damals sei der Schwanenteich jedoch über einen Staukanal gespeist worden. Zukunft des Bitterling-Projekts Bekannt geworden ist, dass es schon eine Planung gibt, wonach es zum kompletten Abtrag des gesamten Dammes und dessen Neuaufbau kommen soll. Dies würde sich mit dem Vorhaben aus dem Jahr 2012 decken, gegen das die Bürgerinitiative »Rettet den Schwanenteich« mit einem Bürgerbegehren erfolgreich angekämpft hatte. Was damals für zumindest drei Jahre verhindert wurde, soll von der Stadt doch noch durchgesetzt werden. Parallell dazu will man das nach einer Fischart benannte »Pilotprojekt Bitterling« wieder in Angriff nehmen. Die Wiederbelebung dieses Projekts empfindet Wilhelm Pastoors, der sich beim Bürgerbegehren engagiert hatte, als ein »zynisches« Vorhaben. »Der Lebensraum des kleinen Fisches, der in Symbiose mit der Teichmuschel lebt, wurde vernichtet. Es gibt seit zehn Jahren keine Teichmuscheln und keine Bitterlinge mehr im Schwanenteich«, erzählt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Das Projekt habe dem Bitterling das Leben gekostet. Dieser Fisch ist auf der Roten Liste der gefährdeten Arten gelistet. Die Teichmuscheln waren vor Beginn der Umbauarbeiten für die Landesgartenschau ein Charakteristikum des Schwanenteiches. In den flachen Uferbereichen waren sie immer deutlich zu sehen. Die Symbiose besteht darin, dass Bitterlinge ihre Eier in die Teichmuscheln ablegen. Dort schlüpfen sie und wachsen vier Wochen lang heran. Die Muscheln wiederum verbreiten sich durch Anheften ihrer Larven an den Bitterling. Die Teichmuscheln wurden bei der Sanierung des Schwanenteiches offenbar vernichtet, die Bitterlinge abgefischt. Von Letzteren wurde ein Restbestand von etwa 40 in den Gartenteich eines Angelfreundes verbracht. Was aus ihnen geworden ist, ist nicht bekannt. Auch konnte beim Abfischen des Bitterlings nicht ausgeräumt werden, ob dieser eine schützenswerte Spezies heimischer Art oder eine invasive (eingeschleppte) Spezies ist, die nicht geschützt ist. Aus all dem resultieren spannende Fragen: Was kostet ein neuer Damm, so denn er völlig abgetragen und neu aufgebaut wird? Wie hoch ist die finanzielle Förderung, wenn diese aufgrund des »Bitterling-Projektes« genehmigt wird? Wie werden ausgerottete Teichmuscheln im Schwanenteich wieder angesiedelt? Und ziehen die vor einem Jahrzehnt abgefischten Bitterlinge wieder zurück in ihre alte Heimat? Weder die Untersuchungen noch die Planungen wurden bisher öffentlich gemacht. |